Gesetz zur Fachkräfte-einwanderung vom Kopf auf die Füße gestellt

v.l.n.r.: Johannes Baier, Dr. Ann-Veruschka Jurisch MdB, Dr. Handirk von Ungern-Sternberg, Martin Gassner-Herz MdB

Die FDP-Bundestagsabgeordnete Dr. Ann-Veruschka Jurisch und Dr. Handirk von Ungern-Sternberg, Mitglied der Geschäftsleitung der HWK Freiburg diskutierten das überarbeitete Fachkräfteeinwanderungsgesetz.

Am Dienstag, den 25.07.2023 lud die FDP-Ortenau in die Gewerbeakademie Offenburg ein, um über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz zu sprechen. Als Experten sprachen die FDP-Bundestagsabgeordnete Dr. Ann-Veruschka Jurisch sowie Dr. Handirk von Ungern-Sternberg, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Handwerkskammer Freiburg und Gastgeber des Abends. Frau Jurisch verhandelte die Gesetzesnovelle in ihrer Funktion als Berichterstatterin für reguläre Einwanderung und Freizügigkeit in der EU der FDP-Bundestagsfraktion. Herr von Ungern-Sternberg betreut bei der HWK unter anderem Programme zur Gewinnung ausländischer Fach- und Arbeitskräfte sowie Auszubildende für Handwerksberufe.

Der FDP-Kreisvorsitzende und Familienunternehmer Johannes Baier betonte in seiner Begrüßung die Auswirkungen des Fach- und Arbeitskräftemangels: „Die Gesellschaft muss sich bewusst werden welch immensen volkswirtschaftlichen Schäden unbesetzte Stellen und Ausbildungsplätze bedeuten. Für uns als Unternehmer ist der Umstand von zu viel Arbeit zuallererst ein Luxus-Problem. Die Kunden sind es, die damit verbunden hohe Preise und lange Lieferzeiten erleiden und unsere Volkswirtschaft, die durch mangelnde Kapazität nicht ihre volle Kraft entfalten kann“, so Baier.

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz stammt aus dem Jahr 2020 und wurde nun überarbeitet. In dieser überarbeiteten Form tritt es im November in Kraft. Die Details erläuterte im Folgenden Ann-Veruschka Jurisch MdB: „Wir haben das Migrationsrecht vom Kopf auf die Füße gestellt“, so Jurisch denn bisher sei das Gesetz von Misstrauen geprägt gewesen. Das Nadelöhr sei die Anerkennung der Fachlichkeit gewesen. Hier habe man die Hürden nun stark gesenkt und neue Möglichkeiten zur Einreise von Fach- und Arbeitskräften geschaffen. Der FDP sei in den Verhandlungen insbesondere ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild wichtig gewesen. Mit der sogenannten Chancenkarte können Einwanderungswillige nun mit einer Vielzahl von verschiedenen Kriterien Punkte sammeln und ab einem gewissen Punktestand einreisen, auch wenn in anderen Bereichen noch Nachholbedarf besteht. Diese Lücken können dann vor Ort nachgebessert werden. Auch sei man die sogenannte Westbalkanregel, nach der Menschen aus der dortigen Region zum Arbeiten vereinfacht einreisen können, angegangen, und will dieses Verfahren mit neuen Migrationsabkommen auf weitere Regionen ausweiten. Die bestehende Blue Card für anerkannte Fachkräfte werde weiterentwickelt und die Gehaltsschwellen massiv gesenkt.

Dies war ein Punkt, bei dem Herr von Ungern-Sternberg Nachbesserungsbedarf sah. „Die Gehaltsschwellen sind für einige Handwerksberufe zu hoch. Wir müssen uns klar sein, dass es nicht nur an hochbezahlten Spitzenkräften mangelt, sondern in nahezu allen Berufs- und Lohngruppen“, so von Ungern-Sternberg. Er betonte zu Beginn, die Neuerungen des Gesetzes seien sehr begrüßenswert und gehen grundsätzlich in die richtige Richtung. Man hätte sich seitens der Handwerkskammer und anderer Wirtschaftsverbände aber noch mehr Mut gewünscht. Insbesondere läge die Zahl der avisierten Fach- und Arbeitskräfte immer noch um ein Vielfaches unter dem tatsächlichen Bedarf. Dieser sei angesichts des demografischen Wandels immens und werde in den kommenden Jahren noch deutlich zunehmen. Alle seien gefordert weitere Flaschenhälse zu lösen. „Die Einwanderer müssen Sprachniveaus nachweisen, hierzu Bedarf es mehr Plätze und Prüfungsangebote der Goethe-Institute im Ausland, die Botschaften in den jeweiligen Ländern und die Ausländerbehörden im Land sind nach wie vor massiv unterbesetzt um dem Bedarf gerecht zu werden“, so von Ungern-Sternberg. Er betonte, dass Baden-Württemberg ein Einwanderungshotspot sei: „Wir haben eine gute Willkommenskultur und eine hohe Nachfrage nach Berufsanerkennungen im Handwerk. Dies spricht dafür, dass der Südwesten für Zuwanderer ein attraktiver Standort ist.“

Der örtliche FDP-Bundestagsabgeordnete Martin Gassner-Herz, der zuvor mit Dr. Ann-Veruschka Jurisch MdB zwei Flüchtlingsunterkünfte in Offenburg besuchte, betonte die Wichtigkeit der Integration: „Auch wenn es uns vor große Herausforderungen stellt, so ist die Integration von Einwanderern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, so Gassner-Herz. Es bedürfe die Zivilgesellschaft, die ‚Deutschland erklärt‘: „Vereine, Volksfeste, Steuererklärung, Kehrwoche oder unser duales Ausbildungssystem sind im Ausland nicht bekannt und hochgradig erklärungsbedürftig.“

Die Teilnehmer konnten das Thema in Frage- und Antwortrunden vertiefen. Insbesondere war dabei die Knappheit an Wohnraum ein großes Thema. „Der Wohnungsbau ist offensichtlich ins Stocken geraten und wir sind weit entfernt von unseren Zielen. Mit dem geplanten Zuzug von Menschen erhöhe sich der Bedarf jedoch noch weiter“, so ein Teilnehmer.